
Arbeitskonflikte, Kränkungen, Mobbing
“Es gibt drei Wahrheiten: Meine Wahrheit, deine Wahrheit und die Wahrheit“ (chinesisches Sprichwort)
Allzu oft wird das Wort Mobbing in den Mund genommen. Jedoch ist es beim Umgang mit diesem Begriff wichtig, den „normalen“ Arbeitskonflikt von einer Kränkung und Mobbing zu unterscheiden.
Konflikte am Arbeitsplatz
Wichtig: Nicht alles, was sich nach Mobbing anfühlt, ist es auch! Bei Konflikten am Arbeitsplatz wird in der Regel zwischen drei Kategorien unterschieden, die einen unterschiedlichen, zunehmenden Grad der Schwere darstellen:
1. „Normaler“ Arbeitsplatzkonflikt
2. Kränkung
3. Mobbing
Hierbei kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um eine Mischung der verschiedenen Situationen handelt, oder, dass das eine zum anderen geführt hat. Es wird in jedem Falle empfohlen, sich mit anderen über ihre Situation auszutauschen, sei es mit Familienmitgliedern, Freunden oder auch mit einem Psychotherapeuten. Bei Therapeuten sollte bereits vor der Terminvergabe nachgefragt werden, ob diese/dieser Erfahrungen mit diesem speziellen Thema hat. Auch bei Zuhilfenahme von Coachs ist es vorteilhaft, das im Voraus zu klären, da, wie in jeder Disziplin, so auch in dieser, ein Fachwissen von Vorteil ist.
1. „Normaler“ Arbeitsplatzkonflikt
Ein wichtiges Kennzeichen für einen „normalen“/offenen Konflikt ist, dass übliche Konfliktlösungsstrategien eingesetzt werden können. Das ist beispielsweise bei Mobbing nicht der Fall.
Beispiel:
Hr. A. ist Angestellter in einem Unternehmen und möchte sich für eine Weiterbildung beurlauben lassen. Der Vorgesetzte legt ihm nahe, im Interesse der Abteilung, weil Urlaubszeit ist, die Weiterbildung zu verschieben. Hr. A. ist verärgert, schließlich ist die Weiterbildung für die Ausübung seiner Position wichtig und er bittet um weiteres Gespräch mit seinem Vorgesetzten um seinen Wunsch erneut zu äußern. Der Vorgesetzte hört zu, entscheidet aber doch im Interesse des Arbeitsablaufes, sodass Hr. A. die Weiterbildung verlegen muss. Hr. A. ist ein paar Tage verärgert über seinen Chef, verschiebt seine Weiterbildung zwar widerwillig, aber ohne Konsequenzen für seine Arbeit oder sein Wohlbefinden. Der Ärger verfliegt.
Dies ist vermutlich ein Beispiel für eine Art von Konflikten, die alle Arbeitnehmer aus ihrem Arbeitsalltag kennen und ohne die ein Arbeitsleben selten vorkommt. Es handelt sich daher um einen gewöhnlichen Arbeitsplatzkonflikt.
2. Kränkungen
Kränkungen hingegen, gehen emotional eine „Stufe tiefer“, stellen jedoch für sich genommen noch kein Mobbing dar.
1. Kränkungen entstehen durch zwischenmenschliche Belastungssituationen, also durch soziale Stressoren. Langfristig kann dies zu Stressreaktionen führen.
2. Kränkungen sind zwar ein persönliches Problem, können aber die Qualität der Leistung und der Zusammenarbeit des Einzelnen oder des Teams beeinflussen. Dies kann langfristig zu einer Gefährdung der Arbeitsqualität und -fähigkeit, sowie zum Verlust von Arbeitsplätzen führen.
3. Konstruktives Umgehen mit Konflikten kann gelernt werden! So z.B. durch Soziale Kompetenztrainings in denen das Durchsetzungsvermögen und die Konfliktfähigkeit trainiert werden.
4. Nicht jede Kränkung ist Mobbing, kann aber zu Mobbing führen, wenn es einen ungelösten Konflikt zwischen Parteien gibt, sich eine Partei hilflos fühlt und sich nicht konstruktiv verhält, z.B. durch Rückzug und Schweigen.
Beispiel:
Hr. K. hat sich viel Mühe bei der Ausarbeitung eines Protokolls gemacht. Er ist besonders stolz darauf. Leider wird das Protokoll anschließend von seinem Chef kritisiert, mit dem Hinweis, er hätte sich mehr Mühe machen sollen. Hr. K. ist schockiert, wütend, enttäuscht, fühlt sich wie gelähmt und kann nicht sofort etwas entgegnen. Er fragt sich, ob er versagt hat und traut sich nicht mehr seinem Chef in die Augen zu schauen. Er ist gekränkt und denkt sich: „Mach‘ doch deinen Kram selbst, ich streng mich nicht mehr für dich und diesen Laden an.“
→ Eine Kränkung an sich ist aber (noch) kein Mobbing!
Die Kränkung fängt bei Hr. K. an und hat mit seinem verletzten Selbstwertgefühl zu tun. Bei Hr. K. wurde ein wunder Punkt getroffen, was zur Entstehung einer Kränkung beiträgt. Wenn „wunde Punkte“ nicht bekannt und bewusst sind, wird häufig die Verantwortung für die eigenen Gefühle nicht übernommen und die Schuld an unangenehmen Gefühlen wird Anderen zugeschoben. Die Anderen werden als die Verursacher der unangenehmen Gefühle gesehen („Die sind schuld, dass es mir schlecht geht!“). Situationen oder Rückmeldungen werden als persönlich, gegen die eigene Person gerichtet, erlebt. Diese subjektiven Erlebnisse werden durch Interpretation, den persönlichen Hintergrund und die bisherigen Berufserfahrungen hervorgerufen.
3. Mobbing
Definition nach Leymann:
„Mobbing ist eine konfliktbelastete Kommunikation (anhaltende Schikanierung mit psychologischen Mitteln) am Arbeitsplatz, unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Dabei ist die angegriffene Person unterlegen. Sie wird von einer oder mehreren anderen Personen systematisch und während längerer Zeit (1x wöchentlich, 6 Monate) direkt oder indirekt angegriffen. Ziel oder Effekt der Angriffe ist die Ausgrenzung der betroffenen Person.“
Beispiel für einen Mobbingfall und dessen Konsequenzen:
Fr. B., 38 Jahre, hat bereits einige Lebensprobleme bewältigt, Germanistik studiert und dann aus Berufung ein Diplom als Erzieherin drangehängt. An ihrer ersten Stelle in einem Freizeitzentrum für Jugendliche trifft sie auf eine ältere Vorgesetzte und weitere Kolleginnen, die sich „hochgearbeitet“ haben und inzwischen ein eingespieltes Team sind. Fr. B. kommt bei den Jugendlichen durch ihre unkomplizierte Art gut an, sie arbeitet gerne und gewissenhaft, hat Lebenserfahrung, Witz und ist eigentlich ideal für die Stelle. Durch ihre Gewissenhaftigkeit, ihr Wissen, ihren Idealismus und ihre Kleidung hebt sie sich von den anderen ab. Sie wird von ihren Kollegen zunehmend als Außenseiterin behandelt, nicht in die Organisation miteinbezogen, ständig kontrolliert, wegen Lappalien kritisiert, von Kollegen vor Jugendlichen lächerlich gemacht und wegen ihrer Kleidung kritisiert.
Fr. B. beschließt sich nichts draus zu machen und ist zuversichtlich, dass sie die Kollegen durch ihren Einsatz zur Akzeptanz ihrer Person überzeugen kann. Fr. B. arbeitet immer mehr übernimmt mehr Projekte, grenzt sich nicht ab, behält Anfeindungen für sich und schämt sich, dass ihre üblichen Strategien sich in ein neues soziales Gefüge einzufinden nicht helfen und die anderen sie nicht akzeptieren. Durch ihren Arbeitseinsatz hebt sie sich immer mehr von den anderen ab und macht sich unfreiwillig weiter zur Zielscheibe.
Sie gerät an ihre Belastbarkeitsgrenze und wird häufiger krank, lässt sich aber nicht krankschreiben, da sie einen inneren Zwang verspürt weiterzuarbeiten, um den Kollegen nicht noch mehr Angriffsfläche zu bieten. Psychosomatische Symptome (z.B. Kopf- und Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Schweißausbrüche auf dem Weg zur Arbeit, Herzrasen) nehmen über 3 Jahre kontinuierlich zu, Fr. B. versucht sie erst zu ignorieren, bis es zu einem „Zusammenbruch“ und einer langen Krankheitsphase und einer anschließenden psychosomatischen Rehamaßnahme kommt in der sich die Frage stellt, ob Fr. B zurück an ihre alte Stelle kann.
Typische Mobbinghandlungen nach Leymann:
Im Folgenden werden typische Angriffe beschrieben, die bei Mobbing vorkommen können:
1. Es wird einem erschwert oder gar vollständig untersagt, sich zu äußern (Verbot von Vorgesetztem, Unterbrechungen in Besprechungen, Anschreiben, Kritik, Drohungen, Kontaktverweigerung)
2. Soziale Beziehungen können in der Firma nicht gelebt werden (es wird nicht mehr mit der gemobbten Person gesprochen oder es wird sogar verboten, Versetzung in einen Raum abseits der anderen)
3. Das persönliche Ansehen wird angegriffen oder gar zerstört bzw. Diskriminierung (üble Nachrede/Gerüchte, Schimpfworte, sexuelle Handlungen, Infragestellung von Entscheidung oder der Arbeit des Gemobbten, Belustigung zu Nationalität, Religion, Gang, Stimme, Persönlichkeit, etc.)
4. Bereiten einer erschwerenden Arbeit bzw. eines erschwerenden Tagesablaufs (Keine Aufgaben mehr zuweisen, Verbot von Aktivität, Vergabe von sinnlosen oder ständig neuen Aufgaben, oder Aufgaben, die weit unter/über dem Niveau der gemobbten Person liegen)
5. Zufügen eines direkten körperlichen oder finanziellen Schadens (Androhung oder Anwendung von physischer bzw. sexueller Gewalt/Misshandlung, Zwang zu gesundheitsschädlicher Arbeit, Zerstörung von privatem Eigentum oder des Arbeitsplatzes)
Was tun?
Mobbingopfer sollten so wie möglich aus ihrer Opferrolle herauskommen! Dazu ist ein sofortiges, aktives Handeln notwendig:
- Tätern muss klare Grenzen gesetzt werden – wehren durch deutliche Aussprache statt abwarten und unterwerfen!
- Vorgesetzte sollten in Kenntnis gesetzt werden, welche verpflichtet sind, den Opfern ernsthafte Hilfe anzubieten (Fürsorgepflicht des Arbeitgebers).
- Weitere Personenkreise ansprechen: Betriebsrat, Gewerkschaft, Kollegen, Mobbingopferberatung/Beratungsstellen, Psychotherapeuten
© Nick Melekian, Sylvia Benz
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